
Die sieben Todsünden gelten im Katholizismus als besonders schlimme Verfehlungen. Obwohl inzwischen viele Menschen dieses Konzept ablehnen, hat diese Vorstellung unsere Kultur nachhaltig geprägt und ist noch heute in sozialen Werten, Vorurteilen und Filmen erkennbar.
Inhalt:
- Was sind die sieben Todsünden?
- Seit wann gibt es die Todsünden?
- Warum Sie sich mit den Todsünden beschäftigen sollten
- Was wir als „Sünde“ bezeichnen, sagt viel über uns aus
- Hochmut: Bloß nicht überheblich wirken!
- Geiz: „Geben ist schöner als Nehmen“
- Wollust: Das Tabu der Sexualität
- Zorn: Strafende Gerechtigkeit oder aufbrausendes Temperament?
- Völlerei: Gute Asketen, schlechte Schwelger
- Neid: Lässt sich Eifersucht an den Fingernägeln ablesen?
- Faulheit: Lieber Workaholic als träge?
Was sind die sieben Todsünden?
Das katholische Christentum versteht unter einer Todsünde einen schweren moralischen Fehltritt. Doch nicht bei jedem moralischen Fehlgriff handelt es sich um eine Todsünde – denn dafür müssen drei Bedingungen erfüllt werden. Die erste Voraussetzung ist, dass es sich um einen wichtigen Regelbruch handelt. Viele der sieben Todsünden verstoßen beispielsweise gegen die Zehn Gebote oder gegen zentrale Botschaften, die von Jesus und den Aposteln im Neuen Testament vertreten werden.
Darüber hinaus muss der Sünder wissen, dass er falsch handelt. Wenn Sie einer wichtigen Veranstaltung fern bleiben, weil Sie sich im Datum geirrt haben, würden Sie sich dementsprechend nicht der Faulheit schuldig machen.
Als drittes Kriterium setzt die Definition voraus, dass Sie selbst die Entscheidung treffen, etwas Falsches zu tun. Erzwungene Handlungen fallen deshalb ebenfalls nicht unter den Begriff der Todsünde.
Seit wann gibt es die Todsünden?
Die Hauptsünden werden in dieser Form nicht in der Bibel erwähnt, sondern basieren auf einer Interpretation, die aus dem fünften Jahrhundert stammt. Katholiken berufen sich dabei häufig auf eine Bibelstelle, in der es heißt: „Denn es gibt Sünde, die zum Tod führt“ (1. Joh 5, 16). Dieser Textausschnitt wird häufig nicht als physischer Tod interpretiert, sondern als sogenannter zweiter Tod: dem Schmoren der Seele in der Hölle.

Die Sünden spielten und spielen im Christentum eine zentrale Rolle: Jesus starb stellvertretend für die Menschen, um sie von ihren Verfehlungen zu befreien. Auch die Taufe symbolisiert das Reinwaschen von den Sünden. In der katholischen Kirche gibt es zudem Rituale wie die Beichte, mit denen sich Büßer ebenfalls von ihren Verfehlungen erleichtern können. Schon im frühen Mittelalter gab es tausende Möglichkeiten, zu sündigen. Die Mönche der damaligen Zeit versuchten, diese Vielzahl auf einige gemeinsame Nenner zu reduzieren und „erfanden“ damit gewissermaßen die Hauptsünden. Umgekehrt zog man daraus den Schluss, dass der Charakter eines Menschen einen grundsätzlichen Fehler aufweisen kann. Eine solche Basis-Sünde würde demnach viele weitere moralische Fehltritte nach sich ziehen.
Warum Sie sich mit den Todsünden beschäftigen sollten
Die todbringenden Verfehlungen sind nicht nur historisch interessant – sie beeinflussen bis heute unsere Kultur und damit unser Denken und Handeln. Sogar, wenn Sie nicht an Gott glauben: Manchmal denken Sie vielleicht, dass sich etwas irgendwie falsch anfühlt, auch wenn Sie keine ausreichenden logischen Argumente finden, die dieses Unwohlsein begründen.
Was wir als „Sünde“ bezeichnen, sagt viel über uns aus
Bis zum heutigen Tag gelten diese Fehltritte als Dinge, die sozial unerwünscht sind. Auch wenn beispielsweise Übergewicht inzwischen vor allem als gesundheitliches Risiko wahrgenommen wird, betrachten viele Menschen ein hohes Gewicht als „unschön“ und projizieren zahlreiche Vorurteile auf dicke Menschen – möglicherweise auch deshalb, weil sie vom Kleinkindalter an von einer Kultur geprägt werden, in der es als moralisch verwerflich gilt, zu viel zu essen.
Katholisches Christentum trifft Hollywood-Blockbuster
Christliche Ideen tauchen immer wieder in großen Filmproduktionen auf. Die Sünden sind dabei ein beliebtes Motiv, da sie ein hohes Identifikationspotenzial besitzen. Sicherlich haben Sie sich schon einmal über einen faulen Arbeitskollegen geärgert und sich gewünscht, der Kollege würde für seine
Trägheit bestraft werden. Horror-Filme treiben solche Wünsche gern auf die Spitze, denn durch diese zutiefst menschlichen Anknüpfungspunkte kriecht uns der Schrecken erst richtig in die Knochen.
Ein offensichtliches Beispiel dafür ist der Thriller „Sieben“. Der Film erschien 1995 und erzählt die Geschichte eines Serienmörders, der vermeintliche Sünder als seine Opfer auswählt. „Sieben“ erregte vor allem durch die makaber inszenierten Todesszenen der Opfer viel Aufsehen.
Die Todsünden spiegeln sich jedoch auch in vielen anderen Horrorfilmen wider: Filmfiguren, die fremdgehen und sich damit wollüstig gebärden, sterben in Horrorfilmen oft relativ am Anfang und überleben höchstens bis zum Schluss, wenn sie Reue zeigen. Filme wie „Scream“ oder „The Cabin in the Woods“ spielen mit dieser „Horror-Formel“, indem sich die Figuren innerhalb des Films bewusst sind, dass sie einem solchen Schema folgen.
Die sieben Todsünden auf einen Blick
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Hochmut (Angeberei, Überheblichkeit, Arroganz, Eitelkeit)
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Geiz (übertriebene Sparsamkeit, Habsucht, Habgier)
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Wollust (Lust, Sexsucht, Genusssucht)
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Zorn (Rachsucht, Wut, Verbitterung, Groll, Jähzorn)
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Völlerei (Fresssucht, Gefräßigkeit, Maßlosigkeit)
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Neid (Eifersucht)
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Faulheit (Trägheit, Lustlosigkeit, Ignoranz)
Im Folgenden zeigen wir Ihnen, wo Sie dieses historische und religiöse Konzept in Ihrem Alltag entdecken können. Manche der vermeintlichen Sünden spiegeln lediglich das normale Mensch-Sein wider, während andere Extreme auf ernsthafte psychologische Probleme hindeuten können.

Hochmut: Bloß nicht überheblich wirken!
Hochmütige Menschen halten sich für besser als andere. Häufig führt dies dazu, dass sie andere Personen abwerten und ihnen gegenüber abweisend wirken, weil die anderen ihre Zeit vermeintlich nicht wert sind. Eine hochmütige Person könnte so zu einem Mobber werden, der andere fertigmacht.
Die positive Entsprechung des Hochmuts ist der Stolz. Der Hochmut (lateinisch Superbia) kann so gesehen als übersteigerter Stolz betrachtet werden, was auch in dem Wort „Übermut“ zum Ausdruck kommt. Wenn Sie sich mit fremden Federn schmücken, werden andere dies vermutlich eher als hochmütig bezeichnen, als wenn Sie sich einen Erfolg selbst erarbeitet haben.
In asiatischen Kulturen, die eher kollektivistisch geprägt sind und die Gemeinschaft in den Fokus stellen, wird Stolz viel schwächer gezeigt als in westlichen Gesellschaften, die als individualistisch gelten. Das gilt jedenfalls so lange, wie es um individuelle Leistungen innerhalb der eigenen Bezugsgruppe geht. Forscher fanden heraus, dass chinesische Sportler bei nationalen Wettbewerben eher wenig Stolz erkennen lassen, aber bei internationalen Wettkämpfen ebenso stolz auftreten wie amerikanische Sportler, die als Vergleich herangezogen wurden (van Osch, Zeelenberg & Breugelmans, 2016).
Auf Twitter, Facebook und Instagram ist Eitelkeit allgegenwärtig. Ebenso omnipräsent ist der Versuch, diese Eitelkeit zu verstecken. Trotz perfekt retuschierten Fotos in den sozialen Netzwerken geben sich viele Influencer jedoch Mühe, um nicht überheblich zu wirken: Die Bilder sollen trotz all der Filter natürlich und lässig aussehen.
Geiz: „Geben ist schöner als Nehmen“
Es gibt einen einfachen sozialen Grund dafür, warum Geiz (Avaritia) sozial geächtet wird: Eine übertriebene Knauserei sabotiert den Zusammenhalt einer Gruppe. Evolutionspsychologen und Verhaltensbiologen gehen häufig davon aus, dass vermeintlich altruistische Dienste an der Gemeinschaft auch dem Individuum Vorteile bringen: Wenn niemand geizig ist und alle ihre Ressourcen teilen, profitiert jeder davon. Fachsprachlich wird diese wechselseitige (Schein-)Selbstlosigkeit auch als reziproker Altruismus bezeichnet.
Geiz ist das genaue Gegenteil von Selbstlosigkeit. Eine der bekanntesten literarischen Figuren weltweit verkörpert diese Charaktereigenschaft: Ebenezer Scrooge wurde von Charles Dickens erfunden, um in „Ein Weihnachtslied in Prosa“ von den drei Geistern der Weihnacht heimgesucht zu werden. Ebenezer Scrooge diente als Vorbild für die Disneyfigur Dagobert Duck. Der Name von Onkel Dagobert lautet deshalb im Original Scrooge McDuck.
Wollust: Das Tabu der Sexualität

Eine gängige Interpretation setzt die Wollust mit dem sexuellen Verlangen gleich, das lange Zeit als grundsätzlich problematisch galt. Obwohl die meisten Menschen Sexualität inzwischen aufgeschlossen betrachten, haftet ihr noch immer ein schweres Tabu an. Vor allem die katholische Kirche tut sich nach wie vor schwer damit, Sexualität als normalen Teil des menschlichen Lebens zu akzeptieren.
Die Todsünde der Lust muss allerdings nicht zwingend sexueller Natur sein. Auch andere Formen von Ausschweifungen können darunter fallen – so betrachten manche Gläubige es beispielsweise als sündhaft, wenn eine Person ein (zu) leidenschaftlicher Sammler ist. Dabei spielt oft nicht nur die Wollust eine Rolle, sondern auch andere Phänomene wie Geiz und Hochmut.
Die lateinische Bezeichnung für Wollust ist Luxuria. Obwohl sich viele Menschen gern etwas Luxus gönnen, sorgt es oft für Empörung, wenn dieser Luxus zu offensichtlich ist.
Zorn: Strafende Gerechtigkeit oder aufbrausendes Temperament?

Niemand steht gern einem Menschen gegenüber, der zornig ist. Ähnlich wie bei der Unterscheidung zwischen Hochmut und Stolz kommt es beim Zorn (Ira) oft auf den Kontext an, ob er als gerechter Zorn oder als Sünde betrachtet wird.
Die Bibel nennt zahlreiche Beispiele, in denen Gott oder Propheten wütend reagieren. Eine der ersten Geschichten in der Bibel erzählt von der Sintflut, die Gott aus Wut über die menschliche Lasterhaftigkeit gesandt haben soll. Jesus ist vor allem für seine Aufrufe zu Mitgefühl und Liebe bekannt, doch auch er zeigt in einigen biblischen Geschichten eine aufbrausende Charakterseite. So soll er beispielsweise die Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben haben, indem er ihre Tische umwarf.
Der Zorn Gottes wird in der christlichen Religion in der Regel hingenommen oder sogar als positiv bewertet. Werden hingegen Menschen zornig, fällt die Bewertung deutlich kritischer aus. Rachsucht und Selbstjustiz werden im Allgemeinen abgelehnt.
Völlerei: Gute Asketen, schlechte Schwelger
Die Askese übt auf viele Menschen eine besondere Anziehungskraft aus – in allen Weltreligionen gibt es Heilige, Gurus oder Sagengestalten, denen durch einen kargen Lebensstil eine besondere Erleuchtung zuteil wurde. So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass das Gegenteil davon – die Völlerei – als eine Todsünde gilt.

Völlerei (Gula) wird vor allem auf den Verzehr von Speisen und Getränken bezogen. Jemand, der maßlos isst und trinkt, wird mit Skepsis betrachtet. Bei Tisch oder an einem Buffet gilt es als Fehltritt, sich zu viel auf einmal auf den Teller zu laden. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, wie unangenehm es vielen Menschen ist, das letzte Stück Kuchen zu nehmen – sogar dann, wenn alle anderen dankend ablehnen und versichern, die Person könne das letzte Stück wirklich gern essen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass wir unbewusst versuchen, auf keinen Fall gefräßig zu wirken.
Obwohl solche Beobachtungen lustig sein können, hat es für manche Menschen dramatische Folgen, dass es als Sünde betrachtet wird, viel zu essen. Bulimiker und Binge Eater sehen sich oft mit dem Vorwurf konfrontiert, gierig zu sein und einen schlechten Charakter zu haben. Dabei handelt es sich bei der Bulimie und der Binge-Eating-Störung um Essstörungen, über die Betroffene keine Kontrolle haben und unter denen sie erheblich leiden. Mit ihrem Charakter hat dies nichts zu tun. Auch dicken Menschen, die nicht unter einer Essstörung leiden, hängt häufig das unausgesprochene Stigma der Völlerei an. Magersüchtige werden hingegen oft mit heimlicher Faszination bewundert; obwohl auch Magersucht eine Essstörung ist, verkörpert sie die (ebenso ungesunde) Idealvorstellungen von Askese.
Neid: Lässt sich Eifersucht an den Fingernägeln ablesen?
Neid (Invidia) ist im Grunde genommen eine Folge von Konkurrenzdenken. Menschen neigen dazu, sich ständig mit anderen zu vergleichen. Wenn Sie mit anderen um die Wette laufen, werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit schneller rennen, als wenn Sie auf sich allein gestellt sind. In besonders extremen Fällen kann Neid sogar als krankhaft betrachtet werden. Menschen, die unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden, können auf die Leistungen anderer sehr neidisch werden, weil sie sich davon bedroht fühlen.
Es gibt verschiedene psychologische Strategien, wie Menschen mit Missgunst umgehen. Eine Variante besteht darin, den Erfolg von anderen abzuwerten. Ein neidischer Mensch, der in einem Wettlauf verloren hat, könnte beispielsweise behaupten, der Weitsprung sei ohnehin eine anspruchsvollere Disziplin. Solche Abwehrreaktionen dienen letztlich den Zweck, den eigenen Selbstwert aufrechtzuerhalten.
Einem Aberglauben zufolge können Sie an Ihren Fingernägeln erkennen, ob Sie zu Neid und Eifersucht neigen. Manchmal steht die Nagelhaut am Rand des Nagels ein wenig ab und bildet einen sogenannten Nietnagel, also einen „Neidnagel“. Angeblich soll dieser auf einen neidischen Charakter hindeuten.
Faulheit: Lieber Workaholic als träge?
Eigentlich wissen wir alle, dass zu viel Arbeit krank machen kann. Dennoch tappen viele Menschen in diese Falle und überanstrengen sich, bis sie irgendwann die Quittung in Form einer Burnout-Diagnose erhalten.
Insbesondere junge Menschen stehen unter einem hohen Druck, permanent hohe Leistungen zu erbringen. Im Zeitalter der sozialen Medien und der ständigen Erreichbarkeit erscheint Faulheit manchmal fast unmöglich. So gesehen ist Faulheit vielleicht die zentrale Todsünde unserer Zeit, denn sie verkörpert genau das, was viele von uns heute am wenigsten sein wollen.
Redaktion: Walter Braun
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MaLu says
Ein interessanter Artikel, der heute eigentlich „hoch aktuell“ sein sollte
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Möchte eine gewisse Klarstellung anfügen, betr. „Geiz“: -Es ist nicht übertriebene Sparsamkeit, sondern das negative Gegenteil zur positiven Sparsamkeit. Sparsamkeit betrifft den Menschen selbst (hängt irgendwo mit Bescheidenheit zusammen). Geiz ist bezogen auf andere Menschen, das Ringsherum, auf das Miteinander, auf den Nächsten.